Goetheschule Mühlheim
Goetheschule Mühlheim
 

Soziales Lernen

Soziales Lernen und eine entwicklungsfördernde Schulkultur

Das Thema soziales Lernen wird immer mehr zu einem unverzichtbaren Schwerpunkt im Schulprogramm. In Zeiten der Individualisierung und der Fokussierung von Eltern und moderner Pädagogik auf Bildung, erleben wir zunehmend Defizite der Kinder in ihrer Fähigkeit der Selbstwahrnehmung, der Empathiefähigkeit, der Frustrationstoleranz, der Selbststeuerung und in der Autonomieentwicklung. Dies stellt die Schule und die Nachmittagsbetreuung vor die Herausforderung, Entwicklungsprozesse in diesen Bereichen gezielt zu fördern.
Das Kollegium der Goetheschule befindet sich in einem Prozess, den Gedanken des sozialen Lernens in vielfältiger Weise in die Schulkultur zu integrieren und entwickelt eine pädagogische Haltung und Strategien.
Pädagogisches Leitmotiv sind die Leitgedanken der Goetheschule. An Ihnen müssen sich alle pädagogischen Maßnahmen und Haltungen gegenüber den Kindern, Eltern und Kolleginnen messen lassen. Sie sind der Maßstab, an dem sich das gesamte Kollegium verpflichtet hat, sich zu orientieren.
Die pädagogischen Leitmotive spiegeln sich für Kinder verständlich auch im Text eines gemeinsamen Schulliedes wieder, dass mit allen Klassen eingeübt wird und somit jedem einzelnen Kind bekannt ist.
Vor diesem Hintergrund hat sich das Kollegium auf ein Bündel gemeinsamer Praxis geeinigt, die zum pädagogischen Profil der Goetheschule gehören soll:

 

Schulregeln:
Leise, langsam, friedlich, freundlich sind die gewünschten Verhaltensweisen innerhalb des gesamten Schulgebäudes und in der Nachmittagsbetreuung. Die Schulregeln hängen in den Gängen, in den Klassen- und Fachräumen, sowie im Kinderhaus aus. Ein optisches Zeichen, das die zwei L symbolisiert, dient zur schnellen und wortlosen Erinnerung, wenn diese nicht eingehalten werden. Das gesamte Kollegium reagiert in gleicherweise konsequent erinnernd an diese, für alle gültigen Regeln. Schulregeln geben allen Sicherheit, weil sich auf bestimmte Grundregeln jeder Zeit berufen werden kann. Die Kinder lernen, dass einige wenige Regeln hilfreich sind, um den Umgang miteinander positiv zu gestalten.

 

Klassenregeln
Alle Klassen erarbeiten orientiert am Entwicklungsstand der Kinder und der jeweiligen Gruppendynamik Klassenregeln. Die Schulregeln gelten selbstverständlich auch als Klassenregeln und werden mit den Kindern immer wieder besprochen. Die Klassenregeln sind anders als die Schulregeln nicht starr, sondern werden gemeinsam mit der Klasse wiederkehrend überprüft und dem Bedürfnis der Klasse angepasst. Die Kinder sind aktiv an der Erarbeitung ihrer Regeln beteiligt und achten auf deren Einhaltung.

 

Klassendienst
Für Ordnung und Sauberkeit übernehmen die Kinder einer Klasse ausgehend von ihrem jeweiligen Entwicklungstand zunehmend mehr Eigenverantwortung. Hierzu gehört z.B. den Kalender täglich umzustellen, Blumen zu gießen, den Boden zu fegen etc. Die Kinder übernehmen Verantwortung für die Gemeinschaft und den eigenen Raum. Sie erleben die Konsequenzen ihres eigenen Tuns.

 

Stoppzeichen und Wiedergutmachung
In allen Schul- und Horträumen hängen Symbole für das allgemeingültige Stoppzeichen aus. Wenn ein Kind Grenzüberschreitungen durch ein anderes empfindet, kann es seinem Unbehagen und Widerwillen durch ein „Stopp!!! Ich will das nicht!!“ zum Ausdruck verhelfen. Die Kinder zeigen dabei beide Hände abwehrend gegenüber dem grenzüberschreitenden Kind. Dieses Zeichen ist für alle Schüler verbindlich. Streit und Konflikte unter Kindern sind komplex, nicht immer ist leicht zu durchschauen, welches Thema konflikthaft ausgetragen wird, wer Recht und Unrecht hat. Das Stoppzeichen ermöglicht jedoch jedem Kind, in jeder Situation zu verdeutlichen, dass der Konflikt eine Eskalationsstufe erreicht, aus der es aussteigen will.
Wird auf das Stoppzeichen nicht reagiert, wendet sich das betroffene Kind an eine pädagogische Kraft. Sie sorgt dafür, dass das entsprechende Kind, das gegen die Regel verstieß, Widergutmachung leistet.
In allen Klassen liegen Vorschläge aus, aus denen sich Kinder, die das Stoppzeichen missachteten, eine Widergutmachung für das andere betroffene Kind aussuchen können. In der Maßnahme wird der Gedanke verfolgt, dass für die Kinder erfahrbar wird, dass sich die Erwachsenen für die Wahrung von persönlichen Grenzen einsetzen. Das die Grenze überschreitende Kind wird nicht im klassischen Sinne bestraft, sondern ihm wird eine Möglichkeit gegeben, die Beziehung durch ein Repair wieder herzustellen.
Als oberste pädagogische Prämisse, auf die sich das gesamte Kollegium geeinigt hat gilt aber folgendes: Bei jeglicher Art der Disziplinierung gilt es zu berücksichtigen, ob diese aufgrund des Strukturniveaus des Kindes tatsächlich einen pädagogischen Nutzen bringt, bzw. welche Form der Intervention dem Kind eine Reflexion seines Handelns ermöglicht. Bei sozial sehr auffälligen Kindern, die über nur wenig Selbststeuerung verfügen und denen nur unzureichende Ich-Funktionen zur Verfügung stehen, um ihre Sozialkontakte zu gestalten, übernimmt nach einer Kurzintervention in der jeweiligen Situation immer die Klassenlehrerin als vertrauensvolle Bezugsperson die Bearbeitung des aufgetretenen Konflikts. Für strukturschwache Kinder soll damit sichergestellt werden, dass Konfliktbearbeitungen immer im Rahmen einer gefestigten Bindung erfolgen, so dass sich das Kind möglichst nicht in seiner Integrität verletzt fühlt.

 

Bewegungspause:
In allen Klassen ist eine 10 minutige Bewegungspause einmal pro Tag fester Bestandteil des Unterrichtsalltags. Sie kommt dem Bewegungsdrang der Grundschulkinder entgegen. Sie bietet aber auch soziale Erlebnismöglichkeiten innerhalb des Klassenverbandes oder in Kleingruppen. Die Bewegungspause kann flexibel bezüglich der Zeit und der inhaltlichen Ausgestaltungen auf die Bedürfnisse der Kinder angepasst werden.

 

Pausenkiste:
Jede Klasse verfügt über eine vom Förderverein gespendete Pausenkiste. In ihr befinden sich anregende Spielmaterialen. Gerade den Erstklässlern, die häufig mit der offenen Pausensituation überfordert sind, erleichtert es die die soziale Gestaltung der Pausensituation und bietet Spielanreize. Die Klassenlehrerin führt ausführlich in den Umgang mit der Pausenkiste ein und begleitet in der Anfangsphase die Pausengestaltung.

 

Wir-Stunden
Bereits in den ersten Klassen werden sogenannte Wir-Stunden eingeführt. Sie werden gemeinsam mit der Schulsozialarbeiterin angeleitet. Der Schwerpunkt dieser Stunden dient der Unterstützung der sich entwickelnden Gruppenbildung und-dynamik. Hier wird der Entfaltung der Gruppenthemen und deren Bearbeitung bewusst Raum gegeben, um einer latenten, sonst für Lehrerinnen nicht immer leicht zu erfassenden, problematischen Gruppendynamik vorzubeugen oder Prozesse offenzulegen. Methodisch wird mit einem Wechsel von Gesprächen und Gruppenspielen gearbeitet. Die Gesprächsthemen werden in der Regel nicht vorgegeben, sondern entwickeln sich aus den Beiträgen der Kinder.

 

Dreitägige Einheiten in Kooperation mit der Jugendpflege Mühlheim
Ebenfalls mit allen ersten Klassen aber bei Bedarf auch mit höheren Klassenstufen wird zu einer dreitägigen Einheit das Kinder- und Jugendzentrum vor Ort aufgesucht. Auch diese Tage stehen im Zeichen der Festigung der Gruppenkohäsion. Durch gemeinsame Erlebnisse (Spiele, Ausflüge, gemeinsames Frühstück, freies Spiel), die in der Gruppe erfahren und gestaltet werden, erleben sich die Kinder als selbstwirksam und erhalten außerhalb des Schulalltags die Gelegenheit, sich in anderen Rollen zu erproben und sich facettenreich zu zeigen. Angeleitet werden die Klassen durch Mitarbeiterinnen der Jugendpflege. Den Lehrerinnen eröffnet sich damit die Möglichkeit, einen Blick von außen auf ihre Klasse zu richten. Auch sie erleben ihre Schüler an diesen Tagen nicht nur aus der an kognitiven Leistungen orientierten Perspektive. Bisher nicht gesehene Kompetenzen können auf diese Weise sichtbar werden und die interne Struktur der Klasse kann sich vor den Augen der Lehrerin szenisch entfalten. Sichtbar gewordene Themen können mit der Klasse nachhaltig bearbeitet werden.

 

Besuch von Kulturveranstaltungen mit der gesamten Schülerschaft
Durch einen Ausflug der gesamten Schule (Z.B. ein Theaterbesuch) wird die Größe der Schulgemeinschaft für die Kinder erfahrbar und sie erleben ein Zugehörigkeitsgefühl zu ihr. Das gemeinsame Erlebnis trägt zur Identifikation mit der Schule bei und bietet eine anregende kulturelle Erfahrung.

 

Schulfrühstück
Alle Klassen beteiligen sich einmal im Jahr an einem gemeinsamen Frühstück, dass von den Kindern vorbereitet und auf dem Schulhof zusammengestellt wird. Auch hier wird die Identifikation mit der gesamten Schule gefördert. Die Kinder erleben sich als Teil eines Ganzen, zu dem sie durch eine eigene Leistung beitragen.

 

Erarbeitung und Aufführung eines Musicals
Die Kinder arbeiten in Gruppen an der Erstellung eines künstlerischen Werks. Dies erfordert Zusammenarbeit unter Zurücknahme von persönlichen Antipathien im Dienste des gemeinsamen Werks. Den Kindern bietet sich die Chance, andere Fähigkeiten, als die im Unterricht geforderten zu zeigen und haben die Gelegenheit eine neue Rolle innerhalb einer Gruppe einzunehmen. Durch die öffentliche Aufführung vor Eltern und Presse erfahren die Kinder Anerkennung über den familiären und schulischen Rahmen hinaus.

 

Burkina Faso und Regenwaldprojekt
Das Mitwirken an den beiden sozialen Projekten regt dazu an, sich mit anderen Kulturen und mit globalen sozialen und wirtschaftlichen Prozessen kindgerecht auseinander zu setzen. Die Übernahme von sozialer Verantwortung kann erprobt werden. Erste Erfahrungen von sozialem Engagement können gemacht werden und die Wirksamkeit des eigenen helfenden Handelns wird erfahrbar.

 

Patensystem
Jedes neue Erstklasskind bekommt einen Paten aus einer dritten Klasse zur Seite gestellt. Noch vor Schulbeginn schreibt der Pate dem Erstklässler und stellt sich ihm kurz als das Kind vor, das ihm helfen wird, sich in der neuen Schule zurechtzufinden. Die bisherigen Erfahrungen mit dem Patensystem zeigen, dass die Erstklässler sehr gern das Beziehungsangebot ihres Paten annehmen. Gerade in den Pausensituationen, die für die Schulneulinge häufig unübersichtlich sind, ist der Pate für sie ein Bezugspunkt. Die Paten nehmen in der Regel diese Aufgabe ebenfalls sehr gerne an. Sie erleben sich als kompetent und verantwortungsvoll. Es ist für sie eine schöne Erfahrung, dass sich jüngere vertrauensvoll an ihnen orientieren. Die Paten erleben sich zudem als Repräsentanten der Schule und vermitteln auf ihre Weise deren Schulkultur und Formen des gemeinsamen Umgangs.

 

Zusammenarbeit mit „People`s Theater“

"Betrachte den Menschen als ein Bergwerk, reich an Edelsteinen von unschätzbarem Wert. Nur die Erziehung kann bewirken, dass es seine Schätze enthüllt und die Menschheit daraus Nutzen zu ziehen vermag."

Im Rahmen der Gewaltprävention arbeitet die Goetheschule schon seit Jahren mit dem Verein People’s Theater zusammen. In den 3. bzw. 4. Klassen präsentieren Mitglieder des People`s Theater ihre Show. Finanziell wird das Projekt vom Kreis Offenbach und dem Förderverein der Goetheschule unterstützt.
Im Mittelpunkt der Show steht ein Mini-Drama, in dem ein sozialer Konflikt in einer kurzen Theaterszene dargestellt wird. Sobald die dargestellte Alltagssituation zu eskalieren droht, stoppt der Moderator der Show mit Hilfe eines Gongs die Schauspieler. Er leitet anschließend ein Gespräch mit der Klasse, indem er versucht, durch Fragen mit den Kindern die Ursache des Konflikts zu erkennen. Als Koordinator des Gesprächs unterstützt der Moderator die Kinder, aus der Vielfalt der Meinungen, positive Lösungen zu formulieren. Er sucht mit ihnen nach sozialen Kompetenzen, die für das Lösen des Konflikts notwendig sind. Einzelne Schülerinnen und Schüler der Klasse werden anschließend ermutigt, ihre Ideen zur Lösung des Konflikts schauspielerisch umzusetzen.
Zum Abschluss spielen die Schauspieler eine zusammenfassende Vorbildlösung vor, indem möglichst viele Vorschläge der Kinder eingearbeitet wurden.
Die Schülerinnen und Schüler bleiben also nicht in ihrer Rolle als Zuschauer, sondern bekommen in der People's Theater Show die Möglichkeit, selbst Regie zu führen.
Der Inhalt der Show wird an die jeweiligen Bedürfnisse der Klasse angepasst.
Die Mitarbeiter des People’s Theater informieren auf Elternarbeiten über das Projekt und führen exemplarisch für die Eltern eine Show auf, bei der die Eltern auch aktiv mitarbeiten.
Durch das Projekt lernen Kinder Ursachen von Konflikten zu erkennen, Lösungsmöglichkeiten zu finden und diese später bei ihrem Verhalten in Konfliktsituationen mit einfließen zu lassen.

 

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© Julia Langenhan